Das Ende der himmlischen Kreise - auf Wiedersehen, Aristoteles!
Die Beschreibung der Planetenbahnen im Sonnensystem war immer noch von einem Widerspruch bestimmt. Einserseits hatte man nun zwar die Sonne an die korrekte Position ins Zentrum der Planetenbewegungen gerückt aber andererseits entsprachen die Bewegungen der Planeten nicht den immer noch gültigen Vorgaben des Aristoteles. Perfekte Kreisbahnen sollten es sein. Jeder Planet auf einer eigenen Sphäre. Und darüber die Sphäre der Fixsterne, deren Unveränderbarkeit ebenfalls nicht angezweifelt wurde. Zwar hatte die Heliozentrische These des Nikolaus Kopernikus die Schleifenbewegung der Planeten schlüssig erklärt aber dennoch änderten die Planeten im Laufe ihrer eigenen Sonnenumrundung ihre Geschwindigkeit.
Tycho Brahe
Der große dänische Astronom, Tycho Brahe (1546-1601), versuchte zwischen dem Heliozentrischen und dem Geozentrischen Weltbild zu vermitteln.
Durchgedrungen ist sein Modell der Planeten und des Himmels nicht, obgleich er ein hervorragender Beobachter des Himmels war. Seine akribischen, über Jahre dauernden astronomischen Aufzeichnungen bildeten eine große Datenbasis. Letztlich werden Brahes Aufzeichnungen die Basis sein, welche Kepler dazu nutzt, der Welt seine Keplerschen Gesetze zu schenken.
Brahe war es, dem es vergönnt war, ein unvergleichliches himmlisches Schauspiel zu erleben. Am 11. November 1572 erblickte Brahe einen strahlend hell scheinenden neuen Himmelskörper, so hell wie die Venus. Die Leuchterscheinung stand im Sternbild Kassiopeia. Ein Fixstern konnte es nicht sein – ja, durfte es nicht sein, denn die Fixsterne waren im gültigen Weltbild unveränderlich und zeigten seit ewig ihre Beständigkeit. Ein ganzes Jahr leuchtete die geheimnisvolle Erscheinung am Himmel. Brahes Versuche, eine Bewegung des Himmelskörpers gegen den Fixsternhimmel nachzuweisen waren erfolglos. Die Position der leuchtenden Erscheinung in Bezug auf die übrigen Sterne blieb unverändert. Schließlich ordnete Brahe diese Erscheinung nun doch der Fixsternebene zu. Es konnte nicht anders sein. Somit war die Unveränderlichkeit der Fixsterne, die seit Aristoteles zur festen Weltanschauung gehörte, erstmals durchbrochen.
Brahe beobachtete eine Supernova, einen explodierenden Stern, dessen im All verwehende Nebel heute beobachtet werden können.
Mit dem Kometen von 1577 und dessen Bahnvermessung kamen Brahe erstmals ernsthafte Zweifel am Geozentrischen Weltbild des Aristoteles und des Ptolemäus. Entgegen der Ansicht aller Astronomen, ordnete Brahe die Kometen in der planetaren Sphäre an und sah sie nicht, wie seine Zeitgenossen, als atmosphärische Erscheinung zwischen Erde und Mond. Getreu seinem Wahlspruch „Weder hohe Ämter noch Macht, einzig die Zepter der Wissenschaft überdauern“, setzte er sich über den Spott seiner astronomischen Zeitgenossen hinweg.
Johannes Kepler
Johannes Kepler arbeitete während des letzten Lebensjahres des Herrn Brahe als dessen mathematischer Assistent in Prag. Sie verstanden sich nicht gut. Der aufbrausende Brahe war in seinem Wesen und seiner Arbeitsweise so ziemlich das Gegenteil von Kepler. Erst nach dem Tode Brahes, im Oktober 1601, standen Kepler sämtliche Aufzeichnungen zur Verfügung. Besonders jene Daten über die Positionen des Planeten Mars, die Brahe über viele Jahre aufgezeichnet hatte.
Kepler erkannte nach jahrelangen Auswertungen der Tabellen, dass die Positionsdaten des Mars keiner Kreisform entsprachen. Sie wichen um einige Grad von einer Kreisform ab. Die Bahn des Mars glich eher einem Oval. Damit konnten auch die unterschiedlichen Bahngeschwindigkeiten erklärt werden, die den Astronomen schon zu Kopernikus Zeiten bekannt waren. Wenn die Position der Sonne nicht die der Mitte einer Kreisbahn war, sondern die einer in der ovalen Bahn des Planeten versetzte, war Kepler klar, dass immer dann, wenn die Bahngeschwindigkeit eines Planeten zunahm, sich der Planet dem sonnennächsten Punkt seiner Bahn näherte. Die wie immer geartete Anziehungskraft der Sonne, deren Wesen zu dieser Zeit noch der Erklärung Newtons harrte und zu Keplers Zeiten von „magnetischer Art“ war, beschleunigte die Planeten auf ihrem sonnennahen Weg und verlangsamte ihren Lauf auf ihrem weiteren Weg zum sonnenfernsten Punkt der ellipsenförmigen Bahn. Dies einmal verinnerlicht, bedurfte es keinerlei Epizykel-Kunststückchen mehr, die Nikolaus Kopernikus in sein Heliozentrisches Weltbild eingebaut hatte, um genau diesen Effekt zu beschreiben.
Johannes Kepler schuf die berühmten drei Planetengesetze, mit deren Hilfe heute noch die Bahnen der natürlichen und künstlichen Himmelskörper berechnet werden können. Vor allem das dritte Gesetz, die entdeckte Proportionalität zwischen den Umlaufzeiten der Planeten und ihren Abständen zur Sonne, war eine unglaubliche Leistung und folgte auch erst 10 Jahre nach der Veröffentlichung der ersten beiden Gesetze, also 1618.
Man bedenke, dass als Basis hierfür „nur“ umfangreiche Tabellen von Positionsdaten der Planeten zur Verfügung standen, Positionsdaten, die über nahezu Jahrzehnte hinweg gemessen und aufgeschrieben wurden. Tabellenarbeit ohne Computer – heute wirklich kaum vorstellbar und vielleicht auch nicht mehr zu leisten.
Keplers Berechnungen machten endgültig Schluss mit der Harmonie der Bewegungen der Himmelskörper, die sich seit der Antike in wohlgeformten göttlichen Kreisen manifestierte. Und wieder rückte die Stellung der Erde und damit die Stellung des Menschen aus dem Zentrum. Seine Berechnung machte Kepler, so wie alle Astronomen zu dieser Zeit, ohne dass er jemals durch ein Fernrohr schaute. Das tat er zwar schon 1611 und gleich mit einer Eigenkonstruktion: dem heute bekannten Kepler-Teleskop. Aber dennoch beruhten seine drei Gesetze ausschließlich auf den Beobachtungen Tycho Brahes, die dieser vor der Erfindung des Fernrohres in zahlreichen Tabellen niederschrieb.