Geputzte Fenster
Die Sonne hat ihren Platz inmitten der Planeten, die sie umkreisen, gefunden. Die Erde ist eingereiht. Sie ist für den Menschen zwar der wichtigste Planet, aber eben auch nur einer von acht Planeten des Sonnensystems. Mehr als 2000 Jahre war die Erde der Mittelpunkt unserer Vorstellung vom Aufbau des Universums. Das Fernrohr ist erfunden und die Fenster des Hauses Erde werden mächtig geputzt und die Menschen schauen weiter und weiter ins Weltall hinaus. Kepler hat die elliptische Form der Umlaufbahnen der Planeten entdeckt und Newton hat mithilfe der Mathematik die Kraft beschrieben, welche die Planeten um die Sonne treibt. Der wissenschaftliche Blick auf unser Sonnensystem ist gefestigt. Mag die Kirche noch zweifeln; die Enthüllungen der Fernrohre sind unumstößlich. Das Meer der Sterne beginnt, die Sonne und ihre Planeten zu verschlingen. Die Position der Erde im Universum ist nicht länger hervorgehoben.
Die Fernrohre und die Erkenntnisse wachsen in den Himmel.
Die Entdeckungen folgen Schlag auf Schlag. Wir nehmen vorweg, dass der Mensch sich jetzt auf den Weg macht, zu erkennen, dass auch das Heliozentrische Weltbild unzutreffend ist. Der Kosmos ist zu groß und das Reich unserer Sonne zu klein.
Die jetzt folgenden Entdeckungen zeigen ein Meer von Sternen. Und Jedem, der sehen und verstehen kann wird klar, dass der Kosmos zu groß ist und dass vermutlich auch die Sonne in das Meer der Sterne eingereiht werden muss und auch für sie eine hervorgehobene Stellung als Zentrum des Universums nicht wahrscheinlich ist.
Obwohl einige der bedeutsamen Entdeckungen im hier beschriebenen Zeitraum noch mit Linsenfernrohren erfolgten, überwogen bald die Spiegelteleskope. Hohlspiegel zu produzieren ist einfacher und preiswerter, als große Linsen mit ausreichender Qualität zu verwenden, die zudem noch über ein hohes Eigengewicht verfügen und stabile Fernrohrkonstruktionen erforderten. Seit 1616 wurden verschiedene technische Ausführungen konstruiert, die alle auf einem Hohlspiegel als Basiselement beruhen.
Nicolaus Zucchius war 1616 der erste mit einem brauchbaren Spiegelteleskop. Es war ein Schiefspiegler, ein gekippter Hohlspiegel mit einer seitlich angebrachten Sammellinse. Ab ca. 1700 verwendete man hauptsächlich Spiegelteleskope, die mit einer Efindung von Isaac Newton wesentlich vereinfacht und verbessert wurden. Der Unterschied bestand in der Konstruktion des seitlichen Einblicks in das Teleskoprohr.
Hier blickt man durch ein Okular auf einen kleinen Umlenkspiegel, der das vom Hohlspiegel gesammelte Licht reflektiert und in den seitlichen Einblick umlenkt. Hier steckt zur Vergrößerung ein Okular, eine Linse. Mehr Informationen über Isaac Newton finden Sie hier.Die Teleskope wurden immer gewaltiger, denn auch damals galt der heute noch unter Astronomen gültige Spruch: "Eine große Öffnung ist durch nichts zu ersetzen". Je größer die Öffnung desto mehr Licht der oftmals sehr lichtschwachen Himmelsobjekte kann gesammelt werden. Man überbot sich regelrecht in Bezug auf die Ausmaße der optischen Geräte zum Betrachten des Sternenhimmels. Was Menschen seit der Frühgeschichte immer schon getan haben, nämlich Sternwarten bauen, findet jetzt in großer Zahl statt. Viele regionalen Herrscher, ob Königshaus oder Landadel, wollten Sternwarten und Hofastronomen ihr Eigen nennen. Astronomen waren seinerzeit offenbar nicht von Arbeitslosigkeit bedroht.
Welche Wunder des Sternenhimmels wurden schließlich durch die großen Teleskope enthüllt? Besonders erfolgreich war die Erkenntnisgewinn über die Planeten des Sonnensystems.
Nicht alle großartigen Astronomen können hier genannt werden. Es sind zu viele Entdecker, die jeder für sich Baustein um Baustein zum gesamten Wissen beitrugen. Lassen Sie uns ein Auswahl treffen und richten unser Augenmerk auf Entdeckungen, die besondere Bedeutung für die Entwicklung der astronomischen Wissenschaft zeigen.
Christiaan Huygens (1629-1695), der in einer Veröffentlichung bereits 1690 seine Gedanken zu fremden Planeten und außerirdischem Leben zu Papier brachte. Er fand den Saturnmond Titan. Wie gerne hätten wir ihm bei seinen Beobachtungen des Mondes Titan über die Schulter geschaut und ihm zugeflüstert, dass einmal eine Weltraumsonde mit seinem Namen auf der Oberfläche von Titan landen würde. Der Planet Saturn gab ihm auch preis, dass die Erscheinung der „Henkel“, die Galilei am Planeten Saturn entdeckt hatte und ihn zu der Äußerung veranlasste „Ich habe den Oberen dreigestalt gesehen“, in Wahrheit ein flacher Ring ist, der rechts und links über die Planetenscheibe hinausragt; ein Ring, der nicht mit dem Planetenkörper verbunden ist, sondern ihn frei umschwebt.
Huygens hat außerdem die Rotationsperiode des Planeten Mars auf 24 Stunden bestimmt. Der reale Wert beträgt 24h 37m 22s.
Huygens, der rechtzeitig der Welt die Wellentheorie des Lichts schenkte und so den Herstellern optischer Linsen half, bessere Fernrohre und Teleskope zu bauen, indem er ihnen durch seine Lichtwellen-Berechnungen dabei half, die Abbildungsfehler der damaligen Linsen auszumerzen. Praktisch wie vorherbestimmt ist zur richtigen Zeit jemand da, welcher der weiteren Entwicklung hin zu neuen Weltsichten einen erheblichen Anschub gab.
Giovanni Domenico Cassini (1625-1712) erweiterte ebenfalls mit zahlreichen Entdeckungen das zeitgenössische Wissen vom Sonnensystem. Erstaunlich, dass er dem Geozentrischen Weltbild nachhing. Seine genauen Beobachtungen schenkten den Menschen seiner Zeit unter anderem das Wissen über die Neigung der Erdbahn und die Rotationsdauer der Planeten Jupiter und Venus. Die Entdeckung der Saturnmonde Dione, Thetis, Rhea und Iapetus mochte Cassini seinem König Ludwig XIV zunächst nicht mitteilen, da bis dahin bereits 14 Himmelskörper im Sonnensystem bekannt waren (acht Planeten, 4 Monde des Jupiter und 2 Monde des Saturn).
Der Ring des Saturn wurde im Fernrohr von Cassini noch besser aufgelöst als im Fernrohr von Huygens, so fand er eine Teilung im Ring, die heute als Cassinische Teilung bekannt ist, und die der Raumsonde seines Namens als Durchflugslücke diente. Die Entdeckung der Lücke im Ringsystem durch Cassini wird heute bestritten, denn es gilt als belegt, dass der italienische Fernrohrbauer Campani einige Jahre vor Cassini diese Teilung fand und vermutlich Cassini auf diese Besonderheit in der Ringstruktur hingewiesen hat. Cassini bezog seine Fernrohre von Campani.
John Flamsteed (1646-1719) Englischer Astronom, dessen Sternenkataloge heute noch bekannt sind und ohne dessen präzise Beobachtungen der Planetenbewegungen Sir Isaak Newton die Entwicklung seiner Mathematik zur Beschreibung der Schwerkraft vermutlich wesentlich schwerer gefallen wäre.
Robert Hooke (1635-1703) Mitentdecker der Schwerkraftgesetze. Er forderte vergeblich von Newton die Anerkennung und lag mit diesem im Plagiatsstreit.
Edmond Halley (1656-1741), der alte Sternkarten mit modernen Beobachtungen verglich und mit seiner Theorie von der Eigenbewegung der Sterne die vorherrschende Ansicht von der Unantastbarkeit des ewigen, unvergänglichen Fixsternhimmels gehörig ankratzte. Der außerdem die Periodizität der Kometen entdeckte und so die Wiederkehr eines großen Kometen exakt vorhersagte, die er selbst leider nicht mehr erleben konnte.
Friedrich Wilhelm Herschel (1738-1822) Von der Musik zu den Sternen; von Hannover nach England. Er und seine Schwester Caroline Herschel hatten sich große astronomische Ziele gesetzt. Herschel baute um 1760 die besten Spiegelteleskope seiner Zeit. Die Ausbeute der Beobachtungen der Familie Herschel ist gewaltig:
- Die Entdeckung des Planeten Uranus und die Polkappen des Mars. Er fand Doppelsterne, nicht nur visueller, sondern auch physikalischer Art, die also gravitativ aneinander gebunden waren – einander also umkreisten.
- Er entdeckte die Uranus Monde Oberon und Titania und die Saturnmonde Mimas und Enceladus.
- Die Entdeckung zahlreicher Nebel, die er zum Teil in Einzelsterne auflösen konnte, führte ihn zu den ersten kosmologischen Theorien. Er spekulierte darüber, dass die Sterne aus eben solchen Nebeln entstanden sein könnten. Er sprach als erster von kosmologischen Entwicklungen und entzauberte nach Halley einmal mehr den heiligen unveränderlichen Fixsternhimmel.
- Und letztlich entdeckte Herschel die Infrarotstrahlung, indem er, wie es Newton vorgemacht hatte, mit einem Prisma ein Spektrum erzeugte und mit Thermometern die Temperaturen der einzelnen Farben ermittelte und hierbei rechts neben dem roten Ende des Spektrums einen Temperaturanstieg feststellte. Hier schloss sich offenbar eine unsichtbare „Farbe“ an, die sich als Wärmestrahlung herausstellte. So wurde der infrarote Anteil des Lichtes entdeckt. Heute benennen wir das gesamte Spektrum, das dem neben dem sichtbaren Licht und der Wärmestrahlung auch die Radio-, Mikrowellen-, Röntgen- und Gammastrahlung umfasst, als Elektromagnetische Strahlung.
Herschel war auch der erste, der eine Schätzung der Menge an Sternen der Milchstraße vornahm und versuchte die Form der Milchstraße zu ermitteln, die er letztlich als linsenförmig beschrieb. Seine Schwester, Caroline Herschel, entdeckte acht Kometen und zehn weitere Nebelobjekte, die sich später als Galaxien herausstellten.
Welch ein Schatz an Entdeckungen und neuen Erkenntnissen wurde allein von diesen beiden Protagonisten der Astronomie-Geschichte an die Menschen weitergegeben.
Hieronymus Schroeter (1745-1816) Als Oberamtmann von König Georg III. baute der Hobbyastronom in dem kleinen Dorf Lilienthal bei Bremen eine große Sternwarte bestehend aus vier Observatorien. Schroeter hielt trotz der Widrigkeiten durch die Kleinstaatereie und später durch Napoleons Feldzüge, intensiven Kontakt mit Wilhelm Olbers aus Bremen, Carl-Friedrich Gauss und Friedrich Wilhelm Herschel. Angeregt von Herschels Riesenteleskop in England baute Schroeter 1793 das größte Spiegelteleskop auf dem europäischen Kontinent. Mit einem 27-Fuß langem Tubus und einem Spiegel mit mehr als 50 cm Durchmesser; das TELESCOPIUM. Schroeter war bekannt, durch seine gute Beobachtungsgabe und dokumentierte akribisch seine Planeten- und Mond-Studien.
1800 wurde unter seiner Mitwirkung die "Himmelspolizey " gegründet; der Vorläufer der heutigen Astrnomischen Gesellschaft. Gemeinsam mit mehr als 20 Astronomen in Europa teilte man den Himmel entlang der Ekliptik auf, um einen bis dahin noch nicht entdeckten aber vermuteten Planeten zwischen der Mars- und Jupiter-Bahn aufzuspüren. Gefunden wurden vier Kleinplaneten. CERES, PALLAS, JUNO und VESTA. Der Asteroiden-Gürtel war entdeckt.
Das historische Groß-Teleskop TELESCOPIUM wurde in Lilienthal wieder aufgebaut und kann besichtigt werden. Es ist voll funktionstüchtig. Anmeldungen unter www.telescopium-lilienthal.de.
Alles hat seine Zeit. Auch das Heliozentrische Weltbild mit der Sonne im Zentrum des Weltalls begann nun, ob der zahlreichen Entdeckungen am Himmel die mit Hilfe immer größerer Spiegelteleskope gewonnen wurden, endgültig zu verblassen und einem Gedanken Raum zu geben, der bereits sehr viel früher von mutigen Menschen verkündet wurde.
Denn selbst Galilei vermutete es schon, was Giordano Bruno bereits um das Jahr 1600 offen aussprach: Unsere Sonne ist nur eine von vielen.
Dem aufgeklärten Menschen war klar geworden, dass die eigene Sonne nur eine von Millionen ist. Herschel schätzte die Zahl der Sterne auf einer Fläche von 15°x2° der Milchstraße auf 50.000. Die Milchstraße war für die Menschen jener Zeit das ganze Weltall. Wie groß ist die Milchstraße und wie viele Sterne stehen denn nun am Himmel? Lässt sich die Reise der Erde und der Menschen in die Bedeutungslosigkeit aufgrund der schieren Unendlichkeit des Weltalls fortsetzen? Und noch ist nicht bewiesen, ob der Planet Erde als Begleiter seines Sterns eine Entsprechung bei anderen Sternen findet oder ob er seine Einzigartigkeit behaupten kann.
Dass die Sonne nicht mehr an exponierter Stelle im Weltall stand, sondern eine von vielen war, ist von den Menschen nun verstanden worden. Die Sonne ist also nicht einzigartig im Weltall. Doch ist es die Erde?